Huchen                         Der erste Versuch

 
Um es gleich vorwegzunehmen: ich habe keinen Huchen gefangen, es hat auch keinen Biss und noch nicht einmal einen Nachfahrer gegeben. Die Gründe dafür mögen vielfältiger Natur sein, der Hauptgrund allerdings ist in den zur damaligen Zeit vor Ort herrschenden klimatischen Bedingungen zu suchen. Seit gut zwei Wochen hatte es an der Kupa nicht mehr geregnet.
Ein sommerliches Hoch bescherte Tag für Tag einen wolkenlos blauen Himmel mit Höchsttemperaturen bis zur 30 Grad Grenze. Niemand im Tal konnte sich an einen derart heißen und trockenen Oktoberanfang erinnern.

Demzufolge war der Flusspegel auf einen extrem niedrigen Stand gesunken. Überall im Flussbett ragten trocken gefallene Kiesbänke und Felsformationen hervor. Der Flusslauf bestand eigentlich nur noch aus einer Kette von Riesel- und Flachwasserstrecken, hier und da durchsetzt von langen dunkelgrünen Gumpen, Zügen und Pools.


Für das Auffinden der Huchen bedeutete das natürlich eine große Erleichterung, denn wo sonst - wenn nicht hier - sollten sie stehen.
Die Betonung lag allerdings auf „stehen“. Von Rauben oder sonstiger Aktivität  war weder in den frühen Morgen-  noch späten Abendstunden etwas zu merken, geschweige denn während der heißen, sonnenhellen übrigen Tageszeit. Möglich, dass sich in den den Nachtstunden diesbezüglich etwas tat, aber da das Fischen an der Kupa nur bei Tageslicht erlaubt ist, musste mir dahin gehende Erkenntnis verwehrt bleiben. Aber es ist auch eher zu bezweifeln, dass die Nachtsunden an der Inaktivität der Huchen etwas änderten. Einsetzender Regen, steigendes Wasser, ein totaler Wetterwechsel, das wären nach Ansicht der einheimischen Fischer die Faktoren gewesen, um die ruhenden Räuber wieder in Fahrt und in Beißlaune zu bringen. Vor zwei Wochen, kurz bevor damals das Wetter umschlug, wurden - so versicherten sie glaubhaft - innerhalb von nur zwei Stunden sage und schreibe zwölf Huchen gefangen - auch wenn sie nicht alle maßig waren. Darauf aber, dass das Wetter sich jetzt während  unseres Aufenthaltes wieder ändern würde, hofften wir die ganze Woche über vergebens.


Täglich fiel gleißendes Sonnenlicht in jeden Gumpen und beleuchtete - besonders in den kleineren, überschaubareren - Risse, Spalten und Überhänge im Felsgestein - ideale Verstecke und Unterstände für die lauernden Räuber.


Immer wieder zeigten sich auch Fische im klaren Wasser, doch handelte es sich meistens um Döbel, Forellen, Äschen und ab und zu auch um Huchen - allerdings nicht von der gewünschten Größe. Dennoch war es natürlich schön und interessant, ihrem gemächlichen Treiben zu zu sehen.
Darauf, dass sich plötzlich ein großer, lang gestreckter, dunkler Schatten ins Blau-grün eines Gumpens schob, hofften wir vergeblich.


Den traurigsten Anblick bot dagegen ein stattliches verendetes Exemplar im nahen Uferbereich. Auf unsere Anfrage hin erfuhren wir, dass in den letzten Tagen wohl etliche weitere Huchen den bestehenden  Wetter- und Wasserverhältnissen zum Opfer gefallen waren. Der Größte unter ihnen

hatte die fast kapitale Länge von 97 cm aufzuweisen.
Welch schmerzlicher Verlust!

All diesen Widrigkeiten zum Trotz schickte ich  mich natürlich dennoch an, meinen Traum vom großen Huchenfang vielleicht doch noch zu verwirklichen. Die Freunde hatten mir einige gute,

huchenträchtige Stellen empfohlen. Eine davon  lag ein paar Kilometer weiter flussabwärts, war nur durch einen steilen Abstieg durch den Uferwald zu erreichen und bestand aus einem etwa gut zweihundert Meter langen, tiefen Zug, der an seinem Ende von einer natürlichen Felsbarriere aufgestaut wurde. Auch aufgrund ihrer landschaftlichen Schönheit gefiel sie mir besonders gut.

Hier warf ich nun an den folgenden Tagen zu verschiedenen Tageszeiten  meine Köder aus, wobei ich mich hauptsächlich auf die Spinnangelei beschränkte, nachdem ich gemerkt hatte, dass ich den Umgang mit der Zweihand-Fliegenrute doch erst noch weiter üben und verbessern muss. Alle meine Versuche blieben indessen ohne Erfolg. Auch mehrere Stellungswechsel brachten nichts ein.  Kein Schuppenträger zeigte Interesse an meinem bunten Lockangebot, so farbenprächtig und verführerisch blinkend und glitzernd es auch daherkam. Nur der Fluss selbst schien manchmal Gefallen daran zu finden und hielt einiges davon unwiederbringlich fest.
 

Der Ärger darüber war allerdings angesichts der herrlichen Natur, die mich umgab, bald wieder verflogen. In die Stille hinein drang der heißere Ruf  vorbeiziehender Fischreiher und das markante Gekrächze eines Kolkrabenpaares. Funkelnden Edelsteinen gleich schwirrten türkisblau und rostrot gefärbte Eisvögel mit durchdringenden, gellenden Pfiffen über die Wasserfläche - für die Kamera ebenso viel zu schnell wie die Ringelnatter, die sich plötzlich vom Ufer abwendend ins Flusswasser davon schlängelte. Genügend Zeit für ein Porträt ließ mir dagegen der stattliche Flusskrebs bei seinem gemächlichen Spaziergang über die Ufersteine.

Bei all dem Schönen und Sehenswerten, das die Natur zu bieten hatte, blieb natürlich dennoch der Frust über die so ineffektive Huchenangelei. Nach Tagen vergeblichen Bemühens gab ich daher auf und nutzte zusammen mit meiner Frau, die mich tapfer begleitete und auch ab und zu fotografierte, die restliche Zeit und das wunderschöne Herbstwetter zu Ausflügen und Streifzügen durch das bunt gewordene Tal der Kupa. Natürlich galt auch hierbei das Augenmerk den Strecken und Pools, die für ein künftiges Huchenfischen interessant erschienen und die der Fluss dank seines Niedrigwassers jetzt so bereitwillig offenbarte.


Und so war es also bei diesem ersten Versuch noch nichts mit dem krönenden Abschluss meines  Anglerlebens. Er muss , nein, er darf vertagt werden in der Hoffnung, dass er mir eines Tages bei besseren Bedingungen und mit dem nötigen „Petri Heil“ durch den Fang eines guten, vorzeigbaren Huchens dann doch einmal gelingen wird.

Fortsetzung: Der zweite Versuch